Tauchmedizin und HBO in Deutschland und in Frankreich

Hyperbare Sauerstofftherapie

Tauchmedizin und HBO in Deutschland und in Frankreich

„Vieles wird gleich gemacht, manches eben auch anders“, stellte Kerstin Schulz, Allgemeinärztin und Tauchmedizinerin aus Frankreich, gleich zu Beginn fest. Das Druckkammerzentrum Freiburg hatte zu zwei Workshops für tauchmedizinisch interessierte Ärzte aus Deutschland und Frankreich im Juni nach Karlsruhe und Freiburg eingeladen.

Frankreich hat eine – im Vergleich zu Deutschland – unendlich lange Küste und das Tauchen in Seen oder Baggerseen weckt weniger Interesse als im Nachbarland. Insgesamt gibt es in Frankreich mehr Taucher als in Deutschland. Vielleicht ist dort der Grund zu suchen, dass in Frankreich der Staat das Tauchen bis ins Detail regelt. Seetauchen ist anders: kalt und tief – für Taucher aus dem Ausland eine neue Erfahrung. Umgekehrt ist es genauso, wenn Taucher aus Deutschland mit dem Seegang und der Strömung  zurecht kommen müssen.

Taucher aus dem Ausland ohne CMAS Brevet müssen in Frankreich – je nach erworbener Qualifikation – in einem sogenannten „Checktauchgang“ ihre Tauchkenntnisse auf dem festgelegten CMAS-Niveau bestätigen lassen, erst dann dürfen sie ins Wasser.

Die Tauchtauglichkeitsuntersuchung durch den Arzt ist in Frankreich weniger umfangreich und deshalb wesentlich einfacher als in Deutschland. Basis dafür ist die Selbstanamnese des Tauchers. Wenn er jedoch dort irgendeine Komplikation ankreuzt, muss die Untersuchung durch fachärztliche Befunde ergänzt werden. In Frankreich sind für alle Sportarten ärztliche Untersuchungen vorgeschrieben, selbst für das Wandern im Verein ist ein jährlich zu erneuerndes Attest notwendig,

Die in Deutschland durch die Gesellschaft für Tauch- und Überdruckmedizin (GTÜM e.V.) bestehenden Standards sollten bei den Tauchtauglichkeitsuntersuchungen eingehalten werden. Bis mindestens 14 Jahre und ab 40 sollte eine Tauchtauglichkeit nur für ein Jahr durch den Arzt attestiert werden. Ab 40 ist dann außerdem ein Belastungs-EKG Pflicht (vorher einfaches EKG ausreichend). Das Lungenröntgen zur Erkennung etwaiger Emphysembullae ist fakultativ.

„Trotzdem kann man nicht sagen, dass in Frankreich mehr Tauchunfälle passieren“. Offensichtlich liegen Gründe für Tauchunfälle auch in der Psyche, wie z.B. durch Notaufstiege in Panik und sind meistens nicht hervorgerufen durch rein medizinische Probleme. Allerdings gibt es heute immer mehr Taucher eines höheren Lebensalters, so dass kardiologische Komplikationen in dieser Altersgruppe möglichst vor dem Tauchen ausgeschlossen werden sollten. Kurzfristige Belastungssituationen durch Sonne, Transport von schwerem Gerät, Warten im Tauchanzug bei vielleicht noch bestehendem Übergewicht können zu Herz- und Kreislaufbelastungen führen.

Tauchunfälle treten häufig bei Tauchtiefen zwischen 20 und 40 m auf und schließen alle Ausbildungsniveaus mit ein. Die Statistiken über Tauchunfälle werden in Frankreich zudem deutlich sorgfältiger geführt. Der dortige Verband veröffentlicht jährlich einen Bericht über alle Tauchunfälle. Vielleicht sind diese Statistiken einfacher zu führen, da in Frankreich 2/3 der Tauchunfälle Mitglieder dieses Tauchverbandes sind, in Deutschland, durch die Fülle der Verbände, liegt dieser Wert bei nur ca. 1/3 der Tauchunfälle welche Mitglieder des VDST sind (Statistik von Aquamed 2006).

Eine häufige Ursache der die Tauchunfälle auslösenden Panik ist das sogenannte  „Essoufflement“, das „außer Atem geraten“, bei dem der CO2-Spiegel im Blut durch die erhöhte Atemarbeit unter Wasser ansteigt und Atemnot entsteht. Durch eine bewusste langsamere Ausatmung und die Erniedrigung der Atemarbeit durch das Höhertauchen von einigen Metern lässt sich das Essoufflement bekämpfen.

Interessante Zwischenfragen und Anregungen der anwesenden Ärzte machten die Fortbildung zu einem Erlebnis. Nicht alle Tage können solche interessanten Vergleiche angestellt werden bis hin zu der Erkenntnis, dass in Marseille mit einem wunderschönen Tauchrevier 2/3 der Tauchunfälle mit der Ursache Lungenbarotrauma als Folge von Tauchübungen entstanden. Bestandteil solcher Übungstauchgänge ist das Herausnehmen des Mundstücks und das anschließende kontrollierte Aufsteigen um einige Meter.

Auch bei der Hyperbaren Sauerstofftherapie bestehen Unterschiede. In Frankreich sind Druckkammern in Krankenhäuser integriert; es gibt 17 Druckkammern. Schwerpunktmäßig dienen die Kammern der Notfallbehandlung, z.B. von Tauchunfällen und Rauchgasvergiftungen. Gerade in Lille sind Kohleöfen noch sehr beliebt, da viele Menschen dort noch ein Bezugsrecht auf Kohle haben und deshalb mit Kohle heizen. Ein weiterer Schwerpunkt sind Wundheilungsstörungen, zum Beispiel beim Diabetischen Fußsyndrom und Bestrahlungsspätfolgen, wie Strahlenproktitis und –zystitis. Hörstörungen werden in Frankreich nur dann in einer Druckkammer behandelt, wenn die Ärzte dafür noch Zeit haben. In Deutschland hat die Ärztin aktuell 31 Druckkammern gezählt, davon haben sehr wenige eine 24h-Bereitschaft. Die in Deutschland bekanntesten Indikation sind Hörstörungen, nicht heilende Wunden, Knochenmarködemsyndrom, beispielsweise bei einem Morbus Ahlbäck, Strahlenproktitis und Strahlenzystitis und Retinitis pigmentosa. Für Schlaganfälle und beim arteriellen oder venösen Zentralarterienverschluss sollte der Einsatz der Druckkammer in den ersten 12 Stunden erfolgen.

Weitere Fortbildungsveranstaltungen für tauchmedizinisch interessierte Ärzte in Freiburg und Karlsruhe

Teilnehmer des Abends meldeten sich bereits zur „Einführung in die Tauchmedizin Deutschland/ Frankreich“ mit Frau Schulz am 3.9.2011 an und zum „Der Weg in die Tiefeam 28.9.2011 mit dem Rekordhalter im Apnoe-Tauchen, Nik Linder, und Herrn Dr. Walterspacher von der Forschungsgruppe Tauchen der Universitätsklinik Freiburg.

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